Hochglanz-Dachziegel blenden Nachbarn: Was ist zumutbar?

Seit einigen Jahren sieht man auf neu eingedeckten Dächern gelegentlich hochglänzende Ziegel. Ob sie als schön empfunden werden, ist Geschmackssache. Allerdings können sie auch die Nachbarn blenden und damit für Ärger sorgen. Die schwierige Rechtsfrage: Ab wann ist die Blendwirkung eine solche Beeinträchtigung für den Nachbarn, dass er andere Ziegel verlangen kann?

Seit einigen Jahren sieht man auf neu eingedeckten Dächern gelegentlich hochglänzende Ziegel. Ob sie als schön empfunden werden, ist Geschmackssache. Allerdings können sie auch die Nachbarn blenden und damit für Ärger sorgen. Die schwierige Rechtsfrage: Ab wann ist die Blendwirkung eine solche Beeinträchtigung für den Nachbarn, dass er andere Ziegel verlangen kann?

Düsseldorf. Wenn die Hochglanz-Dachpfannen den Nachbarn blenden, ist Streit vorprogrammiert. Muss am Ende ein Gericht darüber entscheiden, dann hat es die konkreten Umstände des Einzelfalls „nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen“ abzuwägen. Ohne Ortstermin sei das in der Regel nicht möglich. So hat es das Oberlandesgericht (OLG) Hamm jetzt entschieden (Urteil vom 09.07.2019, Az.: 24 U 27/18).

Damit klärten die Richter einen Streit zwischen zwei Hauseigentümern. Der Eigentümer des südlich gelegenen Grundstücks hatte im Frühsommer 2015 sein Dach mit hochglänzenden Dachziegeln eindecken lassen. Zwei Jahre später machte er das teilweise wieder rückgängig, denn die Ziegel blendeten die Nachbarn: Weite Teile des Dachs bekamen nun sogenannte engobierte Ziegel, die matt glasiert sind. Ortgänge und Dachfirst behielten jedoch die Hochglanz-Dachziegel.

Auch engobierte Dachziegel störten die Nachbarn

Die Nachbarn fühlten sich durch die Ziegel allerdings weiterhin geblendet – sowohl die Hochglanz-Dachpfannen, als auch die matt glasierten Exemplare reflektierten ihrer Ansicht nach zu viel Sonnenlicht auf ihr Grundstück. Vor allem in der hellen Jahreszeit zwischen April und Oktober jeweils von 10:30 Uhr bis 15:30 Uhr, aber auch im Winter bei Vollmond würden sie stark geblendet. Garten, Wohn- und Esszimmer seien dann nur noch gesenkten Hauptes nutzbar.

Die geblendeten Eigentümer verklagten schließlich den Nachbarn. Vor dem Amtsgericht Arnsberg bekamen sie teilweise Recht. Es verurteilte den Hauseigentümer dazu, Blendwirkungen seines Daches zu verhindern, die eine Leuchtdichte von 100.000 Candela pro Quadratmeter oder mehr erreichen. Ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger hatte angegeben, dass die Hochglanz-Dachziegel im Sommer zur fraglichen Uhrzeit eine solche als unzumutbar einzustufende Lichtreflexion erzeugen.

Lichtreflexionen aufs Nachbargrundstück: Es gibt keinen Grenzwert

Die Kläger waren damit nicht zufrieden. Sie wollten erreichen, dass der Nachbar alle Lichtreflexionen seines Daches auf ihr Grundstück unterbinden muss. Deshalb zogen sie vor das Oberlandesgericht (OLG) in Hamm. Dort blieb ihre Berufung allerdings erfolglos. Das Gericht stufte die Lichtreflexionen der matt glasierten Dachziegel als unwesentliche Beeinträchtigung ein, welche die Nachbarn hinnehmen müssen.

Dabei wies das OLG darauf hin, dass es nach seinen Feststellungen keine verbindlichen Richtwerte gibt, an denen sich festmachen ließe, ab wann eine wesentliche – und damit nicht mehr zu duldende – Beeinträchtigung vorliegt. Deswegen müsse ein Gericht hier nach dem „Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen“ urteilen. Die konkreten örtlichen Umstände wie etwa die Dauer der Blendwirkung, die Stärke der Lichtreflexionen und die Auswirkungen dessen auf die Nutzung des Gebäudes seien dabei zu berücksichtigen.

Pauschal ab einer Leuchtdichte von 100.000 Candela eine wesentliche Beeinträchtigung anzunehmen, fand das Gericht in Hamm nicht angemessen. Im Juni 2019 machte sich das Gericht vielmehr bei einem Ortstermin selbst ein Bild der Lage. Dabei kam es zu dem Schluss, die engobierten Dachziegel stellten in diesem Fall keine wesentliche Beeinträchtigung der Nachbarn da. Das Urteil ist rechtskräftig.

Dieser redaktionelle Beitrag wurde von Haus & Grund Rheinland Westfalen verfasst.

Hinweis: Entscheidungen der Rechtsprechung sind sehr komplex. Eigene juristische Bewertungen ohne fachkundige Kenntnis sind nicht empfehlenswert. Ob dieses Urteil auch auf Ihren Sachverhalt Anwendung findet, kann Ihnen als Mitglied daher nur ein Rechtsberater in einem Haus & Grund – Ortsverein erklären.

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