Dem deutschen Handwerk fehlten im letzten Jahr rund 108.000 Gesellen, 10.600 Meister und 10.300 Fortbildungsabsolventen. Der Handwerkermangel hat damit wohl ein neues Rekordniveau erreicht. Besonders groß sind die Personalengpässe auf dem Bau – und besonders jene Gewerke, die für die Wärmewende benötigt werden, melden die größten Schwierigkeiten bei der Personalsuche.
Köln. In Deutschland fehlen aktuell rekordverdächtig viele Handwerker. Insgesamt 236.818 offene Stellen hat eine Studie jetzt für das Jahr 2022 gezählt. Ein höherer Stand ist seit dem Beginn der regelmäßigen Erhebung im Jahr 2010 noch nie ermittelt worden. Das berichtet das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln jetzt über die aktuelle KOFA-Studie. Das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) unterstützt kleine und mittlere Unternehmen im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums bei der Fachkräftesuche.
Die Studie zeigt, dass es im letzten Jahr in Deutschland 121.993 Arbeitslose mit handwerklichen Berufen gab. Rein rechnerisch konnten nach Angaben der Studie 128.891 Stellen nicht besetzt werden. Die größten Personalengpässe gab es dabei im Bauhandwerk. Am größten sind die Probleme bei der Bauelektrik: Im letzten Jahr waren hier im Schnitt 21.549 Stellen unbesetzt. Die Fachkräftelücke war mit 17.846 Stellen riesig.
Heizung, Klima, Sanitär, Bauelektrik: Hohe Fachkräftelücke
Als Fachkräftelücke bezeichnet man die Anzahl offener Stellen, die nicht mit entsprechend qualifizierten Arbeitslosen besetzt werden können. Ähnlich prekär ist die Lage im Bereich Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik: 16.787 offene Stellen bei einer Fachkräftelücke von 13.702. Aber auch der Sektor Holz-, Möbel- und Innenausbau hatte mit 14.847 offenen Stellen und einer Fachkräftelücke von 8.478 erhebliche Probleme. Zugleich wurden 10.337 Metallbauer gesucht, für 6.608 Stellen waren keine Fachkräfte auf dem Markt.
Dabei sind nicht nur die Fachkräfte ein Problem, sondern auch die Führungskräfte. In Klempnerei, Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik waren letztes Jahr 1.952 Meisterstellen offen, auf dem Arbeitsmarkt fehlten jedoch 1.612 Meister in diesem Bereich. Im Hochbau sah die Lage nicht viel besser aus: 2.110 gesuchte Meister bei einer Fachkräftelücke von 1.600. Mit rund 33 Prozent ist die Fachkräftelücke bei den Meistern letztes Jahr so stark gewachsen wie bei keiner anderen Karrierestufe im Handwerk.
Mehr Ausbildungsstellen angeboten – nicht alle können besetzt werden
Die Unternehmen reagieren auf die schwierige Situation, indem sie mehr Ausbildungsplätze anbieten. Allerdings ist deren Besetzung nicht viel einfacher. Die Zahl der jährlich neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in handwerklichen Berufen ist seit Jahren rückläufig. Waren es im Jahr 2012 noch rund 146.000, konnten für das letzte Ausbildungsjahr nur 130.000 neue Azubis unter Vertrag genommen werden. Etwa jede sechste Lehrstelle blieb dadurch unbesetzt. Diese Zahl liegt im Handwerk 12,6 Prozent höher als in allen Berufen insgesamt.
Immerhin: In den Bereichen Bauelektrik, Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sowie in der Dachdeckerei werden nicht nur immer mehr Ausbildungsplätze angeboten, sondern auch verstärkt nachgefragt, so dass die Zahl der Ausbildungsverträge in diesen Bereichen steigt. Das Ziel ist damit aber noch nicht erreicht: In all diesen Berufen bleiben weiterhin auch Lehrstellen unbesetzt. In der Bauelektrik waren es zuletzt 1.325, in der Klima-, Sanitär- und Heizungstechnik 1.418, bei den Dachdeckern 782 und bei den Maurern 926.
Mit Blick auf die energetische Sanierung des Wohnungsbestandes, den Umstieg auf alternative Heizungen und den Neubau zur Bekämpfung des Wohnungsmangels ist die Nachfrage nach Handwerkern im Bau-Sektor in den vergangenen Jahren bereits massiv gestiegen und wird das wohl auch weiter tun. Die politisch gesteckten Ziele scheinen angesichts der angespannten Personalsituation im Handwerk kaum innerhalb des gewünschten Zeitrahmens erreichbar zu sein.
Dieser redaktionelle Beitrag wurde von Haus & Grund Rheinland Westfalen verfasst.